Montag, 24. November 2014

Wir sind im Amazonas angekommen


Wir sind nun etwas mehr als eine Woche im Regenwald. Es geht uns soweit gut, und wir haben uns bereits etwas eingelebt.
Ab halb sechs Uhr morgens ist es hier hell, um 18.15 Uhr wird es nach einer kurzen Dämmerung dunkel. Die Temperatur abends und in der Nacht liegt bei rund 22 Grad. Tagsüber ist es 25 bis 30 Grad warm bei 85% Luftfeuchtigkeit. Mit Sonnenschein wird es noch wärmer. Es ist oft bewölkt und manchmal fällt für Minuten oder auch Stunden mehr oder weniger starker Regen.

Am letzten Mittwoch sind wir zum ersten Mal zur Schule gegangen: Frühe Tagwache für alle kurz vor 6 Uhr. Frühstücken, Rucksäcke packen und um 06.40 Uhr loslaufen. 5 Minuten später kommen wir beim Fluss an und steigen ins Kanu. Victor, unser Nachbar, ist der Kanufahrer. Das schmale Boot hat ein stabiles Dach und wird von einem starken Außenbordmotor angetrieben. Das Kanu fährt in ca. 15 Minuten bis zur Schule. Unterwegs hält es mehrfach, um die Kinder, die entlang des Flusses wohnen, aufzuladen. Die Kinder schwatzen angeregt und fröhlich während der Kanufart. Einige haben ein speziell geformtes Blatt in den Händen, der Stiel durchbohrt es. Wenn das Kanu fährt, dreht sich das Blatt wie ein Propeller. Victor ist ein vorsichtiger Fahrer. Sobald Wellen kommen, verlangsamt er das Kanu, so dass niemand nassgespritzt wird.
Bei der Schule angekommen, wird das Kanu festgebunden, danach steigen alle einige Minuten zum Schulgelände hoch. Die stabilen Holz-/Steinbauten mit Wellblechdächern sind auf einer Ebene inmitten des Urwaldes angeordnet.
Es folgte die Begrüssung mit der Cancion de amor, einem Willkommenslied, das sagen will: Gast, du bist willkommen, wir haben dich gern! Fausto, der Schulleiter, dirigiert die Kinder. Dann dürfen wir uns vorstellen, z.B. so:  Hola, me llamo Silvan. Die Kinder werden in die Klassen eingeteilt und gehen. Silvan zu Fausto in die 5. Klasse. Livia geht zu Dalia, sie ist die Frau von Fausto und kümmert sich um den Kindergarten sowie die erste, zweite und dritte Klasse. Im Klassenzimmer von Livia sitzen zwei Klassen, die je in eine Richtung bzw. Wandtafel schauen. Im hinteren Teil spielen und arbeiten die Kinder des Kindergartens. Jonas hat dort Berge von Lego und weiteren Spielsachen. Die Schule beginnt um 7.30 Uhr und dauert bis 12.45 Uhr, unterbrochen von 30 Minuten Pause um 09.30 Uhr.
In der Pause gibt’s die Colada: Jeweils eine andere Mutter kommt morgens zur Schule, macht ein Feuer, kocht einen grossen Kessel Wasser auf und bereitet damit eine Art Suppe zu: Eine griesähnliche, leicht gesüsste nahrhafte Flüssigkeit. Für viele Kinder ist das sehr wichtig, sind sie doch teils seit 6 Uhr oder früher auf den Beinen, manchmal ohne Zmorge. Zur Colada gibt’s ein Paketchen abgepackter Guezli.Während der Pause spielen die Kinder auf dem Fussballplatz oder sind in den Zimmern und leihen sich Spielsachen aus. Unsere beiden älteren Kinder folgen dem Unterricht in Spanisch und verstehen zu Beginn wenig. Zum Teil ist das für sie schwierig.
Zum Deutschunterricht: Wir werden insgesamt 20 Stunden Deutsch unterrichten, meistens zu zweit. Bis Weihnachten können wir noch von den vielen Erfahrungen der beiden Schweizer Lehrerinnen profitieren, danach organisieren wir uns selber.
Nach der „limpieza“, der Reinigung, ist um 13 Uhr die Schule zu Ende. Die Kinder laufen runter zum Fluss und warten auf das Kanu. Bis dieses kommt, springen viele mit den Kleidern oder in den Unterhosen in den Fluss und baden. Direkt vor der Schule fliesst der Fluss schön langsam. Wo wir wohnen, ist baden heikler, der Fluss hat eine zu grosse Strömung.

Wir kommen gegen 13.30 Uhr zu Hause an, duschen und kochen das Mittagessen. Danach verkriechen sich alle, die Kinder dürfen etwas spielen. Nach dem Zvieri schalten wir einen ca. 1.5 Stunden langen Block Schule ein. Die beiden grösseren erledigen ihre Hausaufgaben bzw. arbeiten mit den Schweizer Büchern. Jonas spielt ums Haus. Wir haben Sand gefunden und diesen in den Schatten vor dem Haus gezügelt. Gegen 18.30 Uhr essen wir den Znacht. Nachtruhe für die Kinder ist gegen 20 Uhr.
Jeweils am Samstagmorgen von 9 bis 12 Uhr unterrichtet Dani hier im Haus acht  Oberstufenschüler in Deutsch. Die Jugendlichen bereiten sich für Aufnahmeprüfungen vor.

Zu unserem Haus: Es ist sehr gross und super eingerichtet. Wir haben im Haus Trinkwasser, Strom, Kühlschrank, und einen riesigen Dachboden zum Spielen. Die Kinder sind in einem Zimmer neben der Küche. Sie haben ein eigenes Bad. Wir sind einen Stock höher. Das Haus liegt hoch über dem Fluss in einer Lichtung des Regenwaldes. Hier hat es weniger Tiere, z.B. Schlangen. Das andere, kleinere Lehrerhaus dagegen ist mitten im Dschungel, dort hüpfen die Affen übers Dach, es hat manchmal Schlagen und Cucarachas.

Wir befinden uns auf ca. 500 Meter über Meer. Wenn man aus den Balkonen schaut, sieht man einen zusammenhängenden, riesigen Wald. Manchmal hört man Lastwagen von der nahen Strasse, ansonsten machen Vögel, Frösche und Grillen die Musik. Zu uns gehört auch die Hauskatze „Fanta“. Sie ist schneeweis und wird häuslich gemacht. Livia ist dafür zuständig, dass Fanta täglich etwas Katzenfutter erhält.
Am letzten Montag sind wir erstmals mit dem Bus nach Tena gefahren, das ist eine Stunde Fahrzeit. Tena ist die nächstgelegene Stadt mit ca. 20'000 Einwohnern. Dort gibt’s alles. Unter anderem haben wir Wäsche waschen lassen. Ebenfalls in Tena befindet sich das Studentenwohnheim, welches zur Schule gehört. Die älteren Kinder der Schule wohnen teils unter der Woche dort. Das Studentenwohnheim wird von Freiwilligen geführt. Hier können wir das Internet benutzen.

Am letzten Freitag, dem 21. November, feierte Livia ihren 8. Geburtstag. Die Schule endete an diesem Tag etwas früher. Wir nutzten die Gelegenheit, um in einem halbstündigen Spaziergang entlang unseres Flusses in die wunderschöne Liana Lodge zu wandern. Dort war gerade das Abschlussessen eines Schweizer Volontärs und wir durften auch zusitzen. Das Essen war himmlisch: Suppe, Reis mit Poulet und Salat, frittierte Yucca und zum Dessert Schoggimousse. Die Überraschung für Livia: Einen noch warmen Geburtstagskuchen mit „Cumpleanos feliz“, sooo lieb! Wir blieben noch sitzen und plauderten mit der Belegschaft (einige davon sind Schweizer, weil die Liana Lodge auch zum gleichen Projekt gehört wie die Schule). Der Chefkoch hat uns noch ein feines Müesli gemischt, danach ging’s mit dem Kanu zurück.

Ganz herzlichen Dank für die vielen Glückwünsche, Briefe und Päckli aus Europa! Livia hat sich sehr über die Zeichen gefreut!
Unser Haus in Puerto Barantilla

Ausblick in den Regenwald. Bei schönem Wetter ist der Cotopaxi zu sehen.

Blick in Richtung Rio Arajuno

Livias Schulweg mit dem Schulkanu

Erste Freundschaften werden geschlossen

1. Hausaufgabe im Fach kichwa

Adios!