Unterwegs mit Rubén Shiguango, dem Waldhüter der Selva
Viva
Zur gewohnt frühen Zeit standen Silvan und ich auf, nahmen
den 6 Uhr Bus und fuhren bis zum Haus von Rubén. Er ist der Waldhüter der Selva
Viva. Zu dieser Organisation gehört ein etwa 1’700 Hektar grosser Schutzwald,
der bosque protecor. Darin ist die Holznutzung und Bejagung von Tieren
verboten. Rubén und Jaime, der andere Waldhüter, sind 5x in der Woche rund 6
Stunden auf einer Tour durch den Wald unterwegs und schauen, ob alles in
Ordnung ist. Daneben werden alle Tierbeobachtungen notiert und an der
wöchentlichen Sitzung des AmaZOOnico mitgeteilt. Auf dem mehrstündigen
Waldrundgang staunten wir im Kleinen wie im Grossen:
Zuerst durchwanderten wir Rubéns Finca. Auf seiner Plantage
gedeihen Bananen und Yuca. Dazwischen wachsen interessante Einzelpflanzen die
entweder gegessen werden können oder Medizinalcharakter haben: Zimtbäume,
Pfefferschoten, Ingwerwurzeln, Guyusapflanzen (Tee), Origano, Pflanzen gegen
Tumore und weitere Krankheiten.
Wir folgten wunderbaren Bachläufen des Rio Rodriguez. Es
wurde langsam hell und das Licht brach durch die Nebelschwaden, da es zuvor
geregnet hatte. Anschliessend stieg der Weg an, oben angelangt, zog heftiger
Regen auf. Rubén eilte in den Wald und kam mit vier langen Palmwedeln zurück.
Zuspitzen, einstecken, befestigen und fertig ist das Regendach. Wir warteten
das Ende des Schauers ab und zogen dann weiter. Wir lernten Eigenschaften und
Besonderheiten von vielen verschiedenen Bäumen kennen. Die Artenvielfalt im Tropenwald
ist enorm, Rubén wusste allen Bäumen ihren Namen in spanisch und kichwa zu
geben. In den früher forstlich genutzten Parzellen waren die Edelhölzer selten,
in den Primarwäldern sahen wir dafür teils Riesenexemplare z.B. von Mahagoni
mit seinen wunderbaren rot-violetten Farbtönen im Holz.
Wir liefen auf kleinen Pfaden, teils sehr steil und
ausgesetzt, der Wald war aber gut passierbar. Es ist nicht der
undurchdringliche Grüne-Hölle-Dschungel, den man sich vielleicht vorstellt. Es
ist überall grün, von unten bis oben. Die Bäume auf den verschiedenen
Höhenstufen, Kletterpflanzen die daran hochwachsen, überall Farne, Moose und
Büsche, Pflanzen (z. B. Bromelien) die mitten im Baumstamm anwachsen und
unabhängig vom Boden leben: Jeder Platz wird ausgenutzt. Sonnenlicht dringt
zwar durch das grüne Dach, aber auch gegen Mittag bleibt es „angenehm
feucht-warm“ und nicht heiss.
Wir sehen Spuren von Pekari (eine Art Waldwildschwein),
Hirschen (wesentlich kleiner als bei uns, was von Vorteil ist, um mit dem Geweih
nicht hängen zu bleiben) und weiteren Tieren. Wir laufen an enorm grossen
Termitenbauten vorbei, halten uns vor den Bienen in Acht, bestaunen die
turmartigen Bauten von Spinnen und schlürfen genüsslich Zitronenameisen aus.
Natürlich „begleiten“ uns auch ständig irgendwelche Mücken und Fliegen.
Dann der Eingang zu einem tiefen Loch, darin eine Pfütze. Es
ist der Ort, wo sich die Pekari suhlen. Ich erkundige mich, ob dieses grosse
Tier auch Feinde habe. Zuerst versteht mich Rubén nicht ganz, dann schweigt er
einige Momente und erzählt dann vom Puma, der ihn vor einiger Zeit
überraschte und auch angriff. Es gelang ihm, sich hinter einen Baum zu retten
und dann mit Schreien, Fuchteln und Hieben mit der Machete die Attacke
abzuwehren. Uns Suizos wurde es einen Moment unwohl beim Gedanken daran. Für
Rubén hingegen scheint es normal zu sein, die Tiere sind hier und gilt es die
richtige Reaktion zu kennen. Rubéns Sohn Abdon war für ihn gestern unterwegs
und begegnete auf dem Weg einer sehr giftigen equis (Schlange). Töten.
Immer wieder standen wir still und lauschten den Tieren. Ein
spezielles Blatt benutzte Rubén, um den Pfeifton der Tukane nachzumachen und
sie in die Nähe zu locken. Über lange Zeit begleitete uns der Gesang dieses
wunderbaren Vogels.
Spannend war es, anhand von Spuren, Rückschlüsse zu ziehen.
So fanden wir geöffnete und verzehrte Früchte, die eindeutig auf Kapuzineraffen
schliessen liessen. Oder wir assen von einer angeknabberten grossen Nuss, die
wie ein Rüebli schmeckt. Das Tier liess die Frucht liegen und wird dann später
den Rest verzehren. Bis zum Schluss galt es die Augen offen zu halten, um nicht
zu stolpern: Löcher im Weg, Schlingpflanzen, Lianen und rutschige Steine.
Zurück am Rio Rodriguez leerten wir die Hosensäcke und liessen uns ins
wunderbare Wasser fallen. Kurz darauf erreichten wir die carretera und stoppten
einen Pick-Up nach Puerto Barantilla.
Dem Rio Rodriguez entlang |
Das Tageslicht durchbricht den Nebel |
Silvan im Unterschlupf der Stelzenwurzel einer Wanderpalme |
Im Innern eines hohlen Mahagoni-Baumes, zusammen mit ... Vampiren |
Ein leider toter mariposa azul |
Silvan und Waldhüter Rubén unter dem Palmwedeldach |