Sonntag, 29. März 2015

Unterwegs mit dem Waldhüter


Unterwegs mit Rubén Shiguango, dem Waldhüter der Selva Viva

Zur gewohnt frühen Zeit standen Silvan und ich auf, nahmen den 6 Uhr Bus und fuhren bis zum Haus von Rubén. Er ist der Waldhüter der Selva Viva. Zu dieser Organisation gehört ein etwa 1’700 Hektar grosser Schutzwald, der bosque protecor. Darin ist die Holznutzung und Bejagung von Tieren verboten. Rubén und Jaime, der andere Waldhüter, sind 5x in der Woche rund 6 Stunden auf einer Tour durch den Wald unterwegs und schauen, ob alles in Ordnung ist. Daneben werden alle Tierbeobachtungen notiert und an der wöchentlichen Sitzung des AmaZOOnico mitgeteilt. Auf dem mehrstündigen Waldrundgang staunten wir im Kleinen wie im Grossen:
Zuerst durchwanderten wir Rubéns Finca. Auf seiner Plantage gedeihen Bananen und Yuca. Dazwischen wachsen interessante Einzelpflanzen die entweder gegessen werden können oder Medizinalcharakter haben: Zimtbäume, Pfefferschoten, Ingwerwurzeln, Guyusapflanzen (Tee), Origano, Pflanzen gegen Tumore und weitere Krankheiten.
Wir folgten wunderbaren Bachläufen des Rio Rodriguez. Es wurde langsam hell und das Licht brach durch die Nebelschwaden, da es zuvor geregnet hatte. Anschliessend stieg der Weg an, oben angelangt, zog heftiger Regen auf. Rubén eilte in den Wald und kam mit vier langen Palmwedeln zurück. Zuspitzen, einstecken, befestigen und fertig ist das Regendach. Wir warteten das Ende des Schauers ab und zogen dann weiter. Wir lernten Eigenschaften und Besonderheiten von vielen verschiedenen Bäumen kennen. Die Artenvielfalt im Tropenwald ist enorm, Rubén wusste allen Bäumen ihren Namen in spanisch und kichwa zu geben. In den früher forstlich genutzten Parzellen waren die Edelhölzer selten, in den Primarwäldern sahen wir dafür teils Riesenexemplare z.B. von Mahagoni mit seinen wunderbaren rot-violetten Farbtönen im Holz.
Wir liefen auf kleinen Pfaden, teils sehr steil und ausgesetzt, der Wald war aber gut passierbar. Es ist nicht der undurchdringliche Grüne-Hölle-Dschungel, den man sich vielleicht vorstellt. Es ist überall grün, von unten bis oben. Die Bäume auf den verschiedenen Höhenstufen, Kletterpflanzen die daran hochwachsen, überall Farne, Moose und Büsche, Pflanzen (z. B. Bromelien) die mitten im Baumstamm anwachsen und unabhängig vom Boden leben: Jeder Platz wird ausgenutzt. Sonnenlicht dringt zwar durch das grüne Dach, aber auch gegen Mittag bleibt es „angenehm feucht-warm“ und nicht heiss.
Wir sehen Spuren von Pekari (eine Art Waldwildschwein), Hirschen (wesentlich kleiner als bei uns, was von Vorteil ist, um mit dem Geweih nicht hängen zu bleiben) und weiteren Tieren. Wir laufen an enorm grossen Termitenbauten vorbei, halten uns vor den Bienen in Acht, bestaunen die turmartigen Bauten von Spinnen und schlürfen genüsslich Zitronenameisen aus. Natürlich „begleiten“ uns auch ständig irgendwelche Mücken und Fliegen.
Dann der Eingang zu einem tiefen Loch, darin eine Pfütze. Es ist der Ort, wo sich die Pekari suhlen. Ich erkundige mich, ob dieses grosse Tier auch Feinde habe. Zuerst versteht mich Rubén nicht ganz, dann schweigt er einige Momente und erzählt dann vom Puma, der ihn vor einiger Zeit überraschte und auch angriff. Es gelang ihm, sich hinter einen Baum zu retten und dann mit Schreien, Fuchteln und Hieben mit der Machete die Attacke abzuwehren. Uns Suizos wurde es einen Moment unwohl beim Gedanken daran. Für Rubén hingegen scheint es normal zu sein, die Tiere sind hier und gilt es die richtige Reaktion zu kennen. Rubéns Sohn Abdon war für ihn gestern unterwegs und begegnete auf dem Weg einer sehr giftigen equis (Schlange). Töten.
Immer wieder standen wir still und lauschten den Tieren. Ein spezielles Blatt benutzte Rubén, um den Pfeifton der Tukane nachzumachen und sie in die Nähe zu locken. Über lange Zeit begleitete uns der Gesang dieses wunderbaren Vogels.
Spannend war es, anhand von Spuren, Rückschlüsse zu ziehen. So fanden wir geöffnete und verzehrte Früchte, die eindeutig auf Kapuzineraffen schliessen liessen. Oder wir assen von einer angeknabberten grossen Nuss, die wie ein Rüebli schmeckt. Das Tier liess die Frucht liegen und wird dann später den Rest verzehren. Bis zum Schluss galt es die Augen offen zu halten, um nicht zu stolpern: Löcher im Weg, Schlingpflanzen, Lianen und rutschige Steine. Zurück am Rio Rodriguez leerten wir die Hosensäcke und liessen uns ins wunderbare Wasser fallen. Kurz darauf erreichten wir die carretera und stoppten einen Pick-Up nach Puerto Barantilla.


Dem Rio Rodriguez entlang

Das Tageslicht durchbricht den Nebel

Silvan im Unterschlupf der Stelzenwurzel einer Wanderpalme

Im Innern eines hohlen Mahagoni-Baumes, zusammen mit ... Vampiren

Ein leider toter mariposa azul


Silvan und Waldhüter Rubén unter dem Palmwedeldach